DER ÖSTERREICHISCHE MENSCH

Kulturgeschichte der Eigenart Österreichs

von William M. Johnston

erschienen Böhlau-Verlag 2010

 

 

In diesem Buch ist ein langer Text von Johnston mit dem Titel

"hans Pragers Entmythisierung des Österreichertums"

über den Essay "Der Österreicher" von Hans Prager in: Ewiges Österreich, hrsg. von Erwin Rieger, 1928

Hier nur ein kurzer Ausschnitt: (Anmerkungen siehe weiter unten)

„Mit Hans Prager zeigt sich ein denkbar unterschiedlicher Geist gegenüber dem schmiegsamen nationalistischen Kosmopoliten von Rodaun, der mit dem gesamten bisherigen Diskurs gehörig aufräumt, ein Deuter des Österreichertums, der alle diesbezüglichen Mythen verwirft. Nicht humorvoll und spielerisch wie Robert Musil tut Prager das, sondern todernst und philosophisch wie der von ihm hoch verehrte Fjodor Dostojewski. Der aus Wien (*) stammende Philosoph bleibt ein Unikum unter unseren Essayisten: ein Denker, der die historischen Unzulänglichkeiten des Österreichers zergliedert. Anstatt Hofmannsthals „Men of Genius“ als Erhalter des Staates zu preisen, reißt Prager ihnen den Schleier aller schmeichelnden Mythen weg. Nach Prager hatte der Geograf Hugo Hasinger Unrecht: kein Österreicher hat je die Rolle des Sozialkapitals in der Donaumonarchie ausgefüllt und gerade an diesem Mangel an sozialem Kitt sei das Ganze zugrunde gegangen.

Sein Sturz der Idole wirkt umso erschütternder, weil sein Text den Glanzpunkt eines wohlmeinenden Bandes bildete. 1928 gab Erwin Rieger, ein frankophiler Autor und Biograf Stefan Zweigs, den Band Ewiges Österreich. Ein Spiegel seiner Kultur heraus. Auf sieben Aufsätze, die die Österreicher positiv bewerteten, folgt schließlich Pragers Donnerschlag, der alles bisher Gesagte niederschmetterte. Dieser Abbau der Mythen wirkt umso befremdender, als der Autor ein Schwager des Österreichverehrers Felix Braun(*) war und der ganze Sammelband so positiv gestimmt war.  Die anderen Aufsätze stellen enthusiastisch die Musik, das Theater und die bildenden Künste der vergangenen fünfzig Jahre, jedoch ohne besondere Hinweise auf die Eigenart Österreichs dar. Diese  Aufgabe blieb Hans Prager vorbehalten, und er hat sie fulminant erfüllt.

Im Gegensatz zu allen anderen Essayisten, und vor allem zu Hofmannsthal, gilt Hans Prager als der große Melancholiker, ja Tragiker unter ihnen. Sein Pathos erregt angesichts eines Untergangs, der nicht zu vermeiden gewesen sei, eine Katharsis. Das Reich sei an der Unfähigkeit seiner Bürger zugrunde gegangen, sich ihrer geschichtlichen Sendung als ebenbürtig zu erweisen. (….)

Sein Aufsatz in dem Rieger-Band belegt seinen Ernst und seine geistige Eigenständigkeit. Es finden sich darin zahlreiche, nie zuvor erwähnte Ansichten über „die seit je vorhanden gewesene Tragödie der österreichischen Menschen“. (S.213) Kein anderer außer Friedrich Heer hat die tragischen Zwiespälte der Österreicher so stark hervorgehoben, wenn etwa Prager behauptet, „die Fähigkeit sich selbst zu verkürzen – es ist ein tiefes Leiden – (war) immer im Österreicher verwurzelt“. (S. 213) Der österreichische Mensch leide unter einer Gewichtslosigkeit, die den Anforderungen einer „Gewichtszone“ im Kräftemittelpunkt Europas nicht gewachsen war. Der österreichische Mensch habe seine von der Geographie und der Geschichte auferlegte Sendung nicht erfüllt. Im schroffen Gegensatz zu Bahr, Hofmannsthal und Wildgans entlarvt Hans Prager den Mythos von Österreichs „Men of Genius“, die im Einklang mit dem Volk ein kulturgestaltendes Reich in der Mitte Europas begründet hätten. Diese hätten das Volk niemals wirklich von ihrer Sendung überzeugt und konnten ihre Vision nicht vermitteln........"

 

Anmerkungen von Tatjana Popovic´:

William M. Johnston schreibt im Anhang u.a. über Hans Prager
„Unter den zahlreichen verkannten Schriftstellern in diesem Buch ist Hans Prager vielleicht der eindringlichste Charakter. Wegen seiner Thesen über die Zwiespälte des Österreichers kann er auch in Anspruch nehmen, als der umstrittenste zu gelten. (…) Das Lebenswerk dieses einzigartigen Denkers wartet auf seine Wiederentdeckung. Sein Hang zum Pathos verdient mit demjenigen eines zweiten in (Prag?) geborenen jüdischen Schriftstellers, Franz Werfel verglichen zu werden."

William Johnston hat den Geburtsort von Hans Prager aus Versehen mit Prag angegeben, aber HP ist in Wien geboren! Die Texte von W. Johnston habe ich mit seiner Erlaubnis in die Homepage gestellt!)

Von Johnston findet man in dem Buch "Der österreichische Mensch" auch einen Beitrag über FELIX BRAUN mit dem Titel "Felix Braun und die Landschaft"