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Der gestohlene Tod

von Hans Prager

Das zweifelnde Verhalten der Menschen in den letzten Dingen, die uns zu erforschen aufgegeben sind, tritt in den Gefühlen der Hochgemutheit hervor, wenn sie sich Herren über den Tod dadurch dünken, daß sie ihm viele der Waffen, welche er verwendet, entreißen, um sie gegen sich und andere zu kehren. Wann nun glauben wir uns über den Tod erheben zu können? Wann nun sind wir der Meinung, daß man den Tod stehlen könne wie ein beliebiges Ding, welches den Besitzer wechseln muß, wenn der gewalttätige und findige Mensch es will? Diese Überzeugung von der relativen Ohnmacht des Todes nimmt dann in uns Platz, wenn wir die letzte und tiefste menschliche Angelegenheit, jene, die eben schon über das Leben hinausreicht, mit ganz gewöhnlichen, irdisch – allzu irdischen Interessen verknüpfen, wenn die Totschlägernatur des Menschen offenbar wird, ob sie sich nun gegen sich oder gegen den anderen richtet. Indem uns Gelegenheit gegeben ist, den Tod bestehlen und stehlen zu können, wird dem Menschen – zeitweise wenigstens – vorgemacht, als ob er auch Herr über den Tod sein könnte. Das Kompromißbedürfnis, das zwischen Tod und Leben, Ewigem und Alltäglichem irgendeine Verbindung herstellen will, wird befriedigt, der totschlägerische Mensch läßt die letzten Frage, wie der gordische Knoten zerhauen wurde und alle Spekulation hat da ein Ende. Nur die Theorie jedoch ist unbedingt, die Praxis aber liebt die Vermischung und die Entsetzung des Entwederoder durch ein Sowohlalsauch (....)

 

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