KÄTHE BRAUN-PRAGER


1888 - 1967

BIOGRAPHIE

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Felix über Käthe s. weiter unten

 

KÄTHE BRAUN-PRAGER (Katharina Maria Braun) wurde am 12. Februar 1888 in Wien geboren und stammte aus einem österreichisch-jüdischen Elternhaus. Die Mutter, Karoline Kohn, (eine gebildete Frau) starb einige Tage nach der Geburt ihrer Tochter. Sie bat noch am Krankenbett ihre jüngste Schwester Laura, sich um ihren Mann und die Kinder zu kümmern, obwohl diese einen anderen liebte. Der Vater, Eduard Braun, heiratete Laura ein Jahr später, 1896 wird der Halbbruder Robert geboren.

Die drei Geschwister wuchsen in einem liberal-bürgerlichen Elternhaus (Wien, Grünentorgasse 8) das gegenüber der orthodoxen jüdischen Religion im Laufe der Zeit etwas gleichgültig geworden war. Für den Vater war es das wichtigste, ein anständiger Mensch zu sein, sein Handeln zu verantworten und er versuchte den Kindern ein ethisches Verhalten vorzuleben. Dennoch litten die Geschwister schon als Kinder unter antisemitischen Äußerungen in ihrem Umfeld. Ihr Bruder Felix, angeregt durch den Großvater Moritz Khon, der Theaterstücke und Liedertexte für Wiener Volkssänger verfaßte, schrieb schon mit 14 Jahren sein erstes Theaterstück "Die Kastellianerin", das sie sicher auch in literarischer Hinsicht beflügelt hat. 

Käthe erhielt eine Ausbildung in einer höheren Töchterschule, gewann mit fünfzehn Jahren ein Preisausschreiben in Stenographie, mit siebzehn machte sie die Staatsprüfung und erhielt dafür ein Diplom. Um die Familie finanziell zu unterstützen, arbeitete sie nach einer kurzen Tätigkeit in einer Notariatskanzlei als Privatlehrerin und als Beamtin in der Creditanstalt in Wien. Als sensible und phantasievolle Frau hatte sie aber anscheinend unter der strengen und beamtischen Atmosphäre im Büro gelitten, was von ihr in der Erzählung Büro auf eine sehr dramatische und phantasievolle Weise umgesetzt wurde. Ein kleiner Beamter, zermürbt, gestoßen, ungeliebt, verfällt dem Zahlenwahnsinn und geht schließlich daran zugrunde. Zu dieser Zeit hatte sie auch schon viele Gedichte und Aphorismen verfaßt, aber kaum etwas veröffentlicht.

1917 entscheidet sich Käthe den evangelischen Glauben anzunehmen, da sie den Philosophen Hans Prager heiraten wollte, der schon in jungen Jahren konvertierte. Nach der Geburt der Tochter Ulrike im Jahre 1920 lebte sie als freie Schriftstellerin in Wien und war auch organisatorisches und intellektuelles Zentrum der Familie. In der Wiener Wohnung gingen viele bekannte Persönlichkeiten ein und aus, wie z.B. Gustinus Ambrosi, Stefan Zweig, Alma Holgersen, Ella Iranyi, Eugen Antoine, Franz Ottmann, Selma Lagerlöf, Gustav von Festenberg, Grete Wiesenthal u.a. Obwohl es stets an Geld fehlte, sorgte sie aber für den Lebensunterhalt der Familie und verfaßte noch nebenbei Gedichte, Erzählungen und viele Aphorismen.

Ihre Freundin, Lätitia Gerstel von Ucken, selbst Schriftstellerin, gründete für sie den Gerstel-Verlag, ebenso die Theaterbühne "Das Sprungbrett", die 1927 das Schauspiel "Anna Mayer" von Käthe uraufführte. In dem Stück handelt es sich um den Kampf der Mutterliebe und um die Zwiespältigkeit der Frauenseele. Von 1928 bis 1938 leitete Käthe fast allwöchentlich die "Literarische Frauenstunde" bei Radio Wien und hielt unter anderem Vorträge über berühmte österreichische Frauen. Schon früh hatte sie sich intensiv mit den Frauenschicksalen und der Frauenliteratur beschäftigt. Sie befreundete sich auch mit der Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Rosa Mayreder, deren Werke sie herausgegeben hat.

1929 veröffentlichte Käthe im Gerstel-Verlag ihren ersten Gedichtband, ein Jahr später leitete sie die "Literarischen Vortragsabende" im Hotel de France in Wien und hielt Vorträge an den Sendern Breslau, Berlin und anderen Städten. Auch im Café Katharinen-Hof in Sievering, Wien, fanden 1934 unter ihrer Leitung literarische Vorträge unter dem Motto "Döblinger Dichter" statt.

In den dreißiger Jahren schrieb sie auch unter dem Pseudonym Anna Maria Brandt und veröffentlicht viele Essays. Ihre beiden Brüder Felix und Robert Braun waren in diesen Jahren schon angesehene Schriftsteller, auch ihr Mann Hans Prager hielt Vorträge und arbeitete an seinen Werken über Shakespeare und Dostojewski. 1935 starb ihr Vater Eduard Braun an Herzversagen. Die Existenzängste und die Aufregungen durch die schwierige politische Situation waren zu viel für ihn.

Im März 1938 wurden die drei Wohnungen der Familien Braun und Prager gekündigt, so daß die Emigration bevorstand. Käthe konnte aber wenigstens noch erreichen, daß sie für die Auflösung eine "Gnadenfrist" von einigen Monaten erhielt. Ihre Tochter Ulrike flüchtete nun nach Paris, einige Monate später reiste Hans Prager, durch eine mißglückte Operation vom Tode gezeichnet, ebenfalls nach Frankreich.

Der Halbbruder Robert fuhr nach Schweden, wurde von dort wieder zurückgeschickt mit dem Befehl, sich in Berlin bei der Gestapo zu melden. Doch glücklicherweise wurde er vorgewarnt, und in Wien angekommen, konnte er mit Hilfe des geschiedenen Mannes der Wiener Tänzerin Grete Wiesenthal, bei einem zweiten Versuch mit seiner Familie in Schweden bleiben.

Im Februar 1939 emigrierte Käthe mit der Stiefmutter nach England, wo ihr Bruder Felix bereits auf die beiden wartete. Für ihn war die Situation in Italien unhaltbar geworden, so wollte er unbedingt in der Schweiz leben, erhielt aber nur ein Durchreisevisum. Die Familie ist in England 15mal umgezogen, zuerst in Finsthwaite, dann Kendal in Westmorland, zuletzt lebte sie in London. 1939 verkaufte Käthe aus finanziellen Gründen ca. 50 Briefe von Hugo Wolf an das British Museum in London für einen lächerlichen Betrag von 55 Pfund, was unter den damaligen Umständen sicherlich ausgenutzt wurde.

Das Hab und Gut, das Käthe vor der Abreise der Spedition Kirchner in Wien übergeben hatte, wurde von dieser absichtlich zurückgehalten, so daß die Gestapo 1940 Zugriff erhalten konnte und den Nachlaß versteigern bzw. vernichten ließ. Die Familie hatte unter dem Verlust sehr gelitten, denn es handelte sich hier auch um ein umfangreiches geistiges Gut. (lt. Kopie des Briefes der Gestapo vom 5.11.1940 mit Verfügung vom 19.8.1940 an die Spedition - ist in meinem Besitz)

Käthe versorgte ihre Familie in der Emigration so gut es ging und es ist bewundernswert, wie sie trotz großer Geldsorgen und Ängste immer wieder versuchte, jedem Mut zuzusprechen. Auch die Sehnsucht nach ihrer Tochter Ulrike, die in Paris lebte, war sehr groß und die Briefe zwischen Mutter und Tochter aus dieser Zeit sind schon fast ein literarisches Ereignis.

Hans Prager ist an Hitler und seinen Helfershelfern zerbrochen. Der Aufenthalt in verschiedenen Internierungslagern in Frankreich, die Sorge um die Familie, Angst vor Verfolgung sowie die mißglückte Operation waren zu viel für ihn. Er verstarb am 4. Dezember im Rothschild-Krankenhaus in Paris.

In der Emigration nahm Käthe eines Abends ein Stück Kohle aus dem Feuer und fing das erste Mal in ihrem Leben zu malen an, sie war zu dieser Zeit bereits über 50 Jahre alt. Ihre Bilder, die sie Visionen nannte, zeigen unter anderem auch Themen aus dem Alten und Neuen Testament. (siehe auch einen Text von Felix über ihre Zeichnungen) Sie hielt viele Vorträge, auch über die großen Musiker Österreichs, die zum Teil von der Universität Durham und vom Sender BBC in London übernommen wurden. Außerdem arbeitete sie als Kunstgewerblerin, schrieb Gedichte, Erzählungen, Aphorismen, Essays und übersetzte unter anderem eine Biographie über Charles Dickens von Eleonor Graham sowie Briefe von John Keats. Eine Reihe von Nachdichtungen altägyptischer, altgälischer und altchinesischer Lyrik hat sie ebenfalls aus dem Englischen ins Deutsche übertragen.

Ihr künstlerisches Wirken beschreibt sie sehr poetisch in dem Band "Reise in die Nähe":

"Ich kenne nicht die Wurzel, aus der meine Gaben erwachsen. Plötzlich gegeben, oft wieder genommen. Von Brieftauben zugebrachte Befehle, die ich auszuführen habe. Geleistet werden sie von Geistern niederen Grades, denen ich zusehe, wie sie für mich schreiben oder zeichnen. Erst meldet sich eine Anfangszeile, als eine grüne Blattspitze, dann hebt sie sich in die zweite Zeile hinauf, und wenn die Sonne der Gnade sehr warm scheint, schreibt sie den Schaft hoch und läßt die Stern-Blüte des Gedichtes aufgehen."

Anfang der 50er Jahre versuchte die österreichische Regierung einige Schriftsteller und Künstler aus der Emigration zurückzuholen. Der Familie wurde 1951 im 19. Bezirk im Karl-Marx-Hof eine große Wohnung angeboten und so kehrten Käthe und Felix zusammen mit ihrer Stiefmutter, Laura Braun, nach Wien zurück. Die Tochter Ulrike sowie die Enkelin lebten bereits seit 1947 in dieser Stadt. Laura Braun starb 1953 in Wien, doch die Geschwister blieben bis zum Lebensende in dieser Wohnung.

Käthe stellte ihre Bilder in Kollektiv-Ausstellungen in Österreich und in anderen Ländern aus. Auch als Herausgeberin von Anthologien hatte sie sich einen Namen gemacht. Thomas Mann gratulierte ihr am 18. Oktober 1953 zu dem Buch "Liebe", das im Zsolnay-Verlag in Wien erschienen ist: "....schönsten Dank für Ihr weltliterarisch fabelhaft umsichtiges Buch der Liebe!...."

Sie erhielt mehrere Preise und wurde am 28.9.1966 mit dem Ehrentitel Professor ausgezeichnet. Sie starb am 18. Juni 1967 im Krankenhaus und ist am Ehrenhain im Wiener Zentralfriedhof begraben.

Auf ihrem Grab steht  der Grabesspruch, den sie 1943 verfaßt hat:

(Der ursprüngliche Text lautete anders und ist eine einzige Selbstanklage.)


Was ich je gedacht und ausgesprochen,
Hat mein dünnes Lebensglas zerbrochen,
Was ich nie gesagt, nie aufgeschrieben,
Ist als Glanz von mir zurückgeblieben.
                 (Käthe Braun-Prager)

 

Anmerkung:

FELIX BRAUN schreibt über seine Schwester Käthe in der Autobiographie „Das Licht der Welt“, 1949 S. 86 (S. 45)

 "Meine Schwester wohnte in meiner Welt. Sie nahm teil an meinem Leben wie später keine Geliebte und kein Freund. Ihr zeigte ich meine Gedichte, und sie bewunderte sie. Auch sie begann früh, Verse zu ersinnen. Doch ich erwiderte ihre Freundschaft nicht in demselben Maß. Dieses vergalt sie mir nicht, sondern ihr Glaube an meine Bestimmung zum Dichter befestigte sich nur noch mehr in ihr. Sie war der erste Mensch, der diesen Glauben faßte, und der einzige, der ihm, nie beirrt , die Treue hielt. Was ich ihr durch diese Treue verdanke, ist wahrhaft unermeßlich. Die Stütze, die ich an ihr von Kindheit an gefunden, wankte keine Sekunde lang."

 

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